Die Folgen der strategischen Fehlentscheidung zugunsten des Luftschiffs

Die Luftschiffe waren- trotz ihrer sichtbaren Größe- von den Abmessungen und der technischen Leistungsfähigkeit her gesehen zu klein, um als Kampfinstrumente – vor allem als Bombenträger – zu dienen. Heer und Marine benutzten sie deshalb als Fernaufklärer.
Dabei stellte sich schnell heraus, dass die Heeresluftschiffe durch Beschuss vom Boden aus sehr gefährdet waren. Außerdem waren diese Luftfahrzeuge sehr wetterempfindlich. Da die Antriebsmotoren im Verhältnis zur Größe der Luftschiffe zu schwach waren, war der Einsatz auf günstige Wetterbedingungen, besonders auf schwache Winde angewiesen, denn die Geschwindigkeit von mehr als 40 bis 70 km/h war mit diesen Geräten nicht erreichbar.

Auch war der Luftschiffbau – wie der Betrieb- höchst aufwändig. Wegen der Wetterempfindlichkeit brauchten diese Riesen ebenso große starre, wetterfeste Hallen, enorme Gasmengen zur Füllung der Schwebekörper, sehr viel mehr Flugpersonal als das Flugzeug und eine höchst kostspielige und personalintensive Bodenorganisation.

Kurzfristig war aber das Luftschiff dem Flugzeug insofern überlegen, als ea allein durch Vergrößerung des Auftriebskörpers zu einem Bombenflieger gemacht werden konnte. Dies haben Heeres- und Marineleitung dann auch betrieben. Beim ersten Bombenflug eines Heeresluftschiffs wurden am 6. August 1914 über Lüttich ganze 200 kg Bomben abgeworfen, das Luftschiff durch Beschuss aber so beschädigt, dass es eine Notlandung machen musste.

Eine Episode kennzeichnet zugleich die militärische Fehleinschätzung des neuen Kriegsinstruments. Am 21.August 1914 sollte ein Luftschiff Bomben über Antwerpen, Zeebrügge, Dünkirchen, Calais und – beim Rückflug- über Lille abwerfen. Das Schiff hatte eine Nutzlast von 6735 kg. Bei rund 810 km Flugentfernung brauchte es 2600 kg Treibstoff. Abzüglich des Gewichts der Besatzung blieben 1200 kg für Bomben. Bomben aber gab es noch nicht. Man musste deshalb Artilleriegranaten abwerfen, die bei 125 kg Gewicht nur 15 kg Sprengstoff hatten. Man wollte also Bombenkrieg gegen fünf Städte mit 150 kg Sprengstoff führen!

Im Mai 1915 hatte das Heer im Westen vier solcher Luftschiffe zur Verfügung und meinte, damit Bombenkrieg führen zu können. Selbst wenn die neuen Bomben im Zielgebiet abgeworfen wurden und gegenüber den Granaten von 1914 schon ein Vielfaches an Sprengwirkung im Verhältnis zum Gewicht hatten, war der Effekt höchst fragwürdig.

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Trotzdem wurden die Luftangriffe bis November 1916 fortgesetzt. Dann mussten sie abgebrochen werden, weil britische Jagdflieger mit einer Brandmunition ausgerüstet wurden, womit sie die hochexplosive Gasfüllung der Luftschiffe in Brand schießen konnten.
br/> Den größten Luftschiffangriff auf London flogen die deutschen Kräfte in der Nacht vom 2. auf 3. September 1916. Vierzehn Luftschiffe wurden losgeschickt. Sie sollten den entscheidenden Schlag führen. Doch die britische Abwehr war auf der Hut. Ein Teil der Luftschiffe warf seine Bomben ins Meer und kehrte nach Deutschland zurück, meldete dort aber, erfolgreich London bombardiert zu haben. Die anderen wurden so unter Beschuss genommen, dass sie ihre Bomben irgendwo im Umkreis Londons abwarfen. Nur 60 Bombe trafen die Stadt, ohne großen Schaden anzurichten.

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Die Reaktion auf die Flugabwehr der Briten war eine Vergrößerung der Luftschiffkörper auf das rund Vierfache.. Man konnte so bis auf 6000 Meter Höhe steigen, außerhalb der Reichweite von Scheinwerfern und Bodenabwehr.

Aber auch das war eine Fehlentwicklung.
Die Motoren leisteten in diesen Höhen nicht genug, die Temperaturen in den unbeheizten Kabinen fielen auf bis zu – 40 Grad Celsius und die Höhenkrankheit machte die Besatzungen arbeitsunfähig. Die letzten Angriffsversuche im Frühjahr 1918 mussten so militärisch scheitern.

Was hat der Aufwand gebracht?

  • Heer und Marine hatten zusammen 123 Luftschiffe in Dienst gestellt.
  • 40 gingen durch Feindeinwirkung verloren,
  • 39 ohne Feindeinwirkung,
  • 17 fielen den Wetterverhältnissen zum Opfer,
  • 31 mussten wegen technischer Unbrauchbarkeit verschrottet werden.

Erreicht hatte man bei den Luftangriffen auf England den Abwurf von etwa 5800 Bomben, die insgesamt 564 Menschen töteten und 1370 verletzten. Der materielle Schaden belief sich auf etwa 30 Mio Mark damaligen Geldes. Der Bau, der Unterhalt und die Infrastruktur dieses Waffensystems waren um ein Vielfaches teurer gewesen als seine Zerstörungserfolge.

Allerdings hatten die Aufklärungsfahrten der Luftschiffe bei Heer und Marine lange Zeit im Vordergrund der militärischen Aktionen gestanden und wohl auch einen hohen Nutzen gehabt.

Seit aber die Marineluftschiffer selber auf den Bombenkrieg drängten, müssen sich ihre Ergebnisse an den gescheiterten operativen Absichten messen lassen.

Quelle: Hundert Jahre deutsche Luftfahrt – Bertelsmann 1991 S. 42 – 46